Die Glücksritter ziehen weiter

 – die Knappen verbleiben dankbar mit gerechtem Lohn

In den ersten Neujahrstagen verkündete Obama ein Pamphlet: „Zur Aufrechterhaltung des globalen US-Führungsanspruchs“. „US-Präsident Obama hat eine neue Verteidigungsstrategie verabschiedet. Er setzt auf moderne Streitkräfte und richtet den militärischen Fokus auf den pazifischen Raum“, versimplifiziert am 6. Januar „Die Zeit“.

Schon im April des Vorjahres – so erinnert am selben Tag „Die Welt“ – hatte „Obama dem Verteidigungsministerium Kürzungen von 400 Milliarden Dollar in der laufenden Dekade auferlegt“, und fährt fort in seiner Interpretation des „Dokument(s) …, „für dessen Vorstellung Obama ungewöhnlicherweise im Pentagon auftrat“: „Der Streit zwischen Weißem Haus und den Republikanern im Kongress über eine Anhebung des Schuldenlimits könnte das Pentagon zu Einsparungen von weiteren 500 Milliarden Dollar zwingen.

Doch unabhängig davon habe sich die Weltkarte, ebenso wie die militärische Herausforderungen, verändert“, kommentierte das Blatt das Geschehnis. „Ein Bekenntnis zu den transatlantischen Beziehungen“ lese es in Obamas Auftritt, „aber auch () eine „Neugewichtung“ der US-Präsenz in Europa.“ Dies kündige „eine mutmaßlich nicht nur marginale Truppenreduzierung in Europa“ an, orakelt die Zeitung und erinnert: „Voriges Jahr hatte sich der scheidende US-Verteidigungsminister Robert Gates in recht schroffer Form darüber beschwert, dass die europäischen Verbündeten viel zu geringe Verteidigungslasten trügen.“

Wurden wir in diesen Tagen des neuen Jahres nun Zeuge eines – unverhohlenen, aber damit nur noch zynischeren als sein Vorbild aus nicht zu ferner Zeit, Konstruktionspapieres einer Neuaufteilung der Welt – eines Obama – Ashton – Paktes? (Frau M. Ashton – „Catherine Margaret Ashton, Baroness Ashton of Upholland“ – ist die alleinige Instanz – in „Personalunion für die Ämter des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ und des Kommissars für Außenbeziehungen“ (wikip.), die nach der administrativen Übernahme der EU-Mitgliedsstaaten durch Brüssel nun noch ihre – auch stille – Zustimmung geben müsste.)

Oder verspricht diese „strategische Neuorientierung Amerikas“ und ihre Auflage an die „Europäer“ gar die Tragweite des Vetrags von Tordesillas vor 500 Jahren, mit dem die Weltmächte Portugal und Spanien sich gegenseitig ihre Stücke vom Kuchen Welt zusicherten?

Kaum von Obama angesprochen, eilt der Außenminister Deutschlands in die arabischen Revolutionsparadiese des vergangenen Jahres – Algerien, Libyen und Tunesien – um sich dort „ein Bild der Lage“ zu machen. Überall aber dort,  so war von verschiedenen Beobachtern gemeldet worden, sei einer anfänglichen Euphorie eine tiefe Frustration und Resignation gewichen. Überall dort seien im Vorfeld Agenten internationaler Geheimdienste am Werk gewesen, die eine Handvoll mitgebrachter oder am Rande der Gesellschaft rekrutierter „Revolutionäre“ mit Know-How im Killen und entsprechenden Waffen ausgestattet hätten? Nach Ägypten fährt der deutsche Außenminister nicht, obwohl, oder vielleicht weil, dort gleich Wahlen anstehen. Kurz darauf, so meldet „Die Zeit“ am 15. Januar, wird der Ägypter El Baradei auf seine Kanditatur zur Präsidentschaft dort verzichten – frustriert, wie es heißt (Deutschlandfunk, 15.01.2012 13:13), weil nach wie vor die gleichen Kräfte an der Macht seien? Dieser Tage meldete der Spiegel: „Libyens neuen Herrschern entgleitet die Kontrolle“, und schon im letzten Jahr hatte Amnesty International den neuen Herrschern dort Folter unterstellt, Die Welt berichtete im September 2011 davon; und auch in Tunesien, soll, so berichtet Deutschlandfunk, muss die Freiheitsstimmung einer breiten Frustration gewichen sein und das Terrain, so vermuten Beobachter und Tunesier gleichsam, für radikale Gruppen freigeschossen.
Moslembrüder und Salafisten werden kurz darauf dann auch in Ägypten die Wahl gewinnen.Westerwelle schwant nichts. Er ist stattdessen vor Hoffnung fast sprachlos, und auch der Leiter des Büros in Kairo der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung wertet dies sehr liberal – verglichen mit seinen merklich unversönlicheren Ausführungen über Syrien am Ende dieses Interviews gegenüber Deutschlandfunk (15.01.2012 13:15: Sendung: Informationen am Mittag, Interview Ronald Meinardus, Büroleiter Kairo der Friedrich-Naumann-Stiftung): „Wir in Europa müssten uns daran gewöhnen, dass die Ergebnisse dieser Wahlen vielleicht nicht immer so ausfallen, wie wir uns das wünschen. Die ganz große Mehrheit der Ägypter, wie ähnlich die große Mehrheit der Tunesier und vorher auch der Marokkaner, haben halt andere Vorstellungen in Bezug auf das Verhältnis von Politik und Religion… Es wäre voreilig, jetzt zu behaupten, das sind die iliberale, undemokratische und antidemokratische Kräfte, ich glaube, das sollte man erst nach einigen Jahren sagen, wo sie eine Chance hatten.“

Sind uns denn aber nicht spätestens seit dem 11. September 2001 – ein „Prophet“ damals hatte recht: „Nichts wird seitdem mehr so sein, wie es war!“ – unzählige „Beweise“ der Gefahr seitens „Schurkenstaaten“ für unsere Gesellschaft aufgezeigt worden, die eben gerade durch deren Ferne zu einer Demokratie, wie wir sie verstehen wollen, wegen ihrer „politischen Instabilität“ aufkommen konnten, und war uns nicht geweissagt worden, dass dies Gefahr permanent wäre, solange die alten Kräfte dort am Werke seien?

Wenn der große Kampfverbündete auf der anderen Seite des Atlantik von einer Handvoll Höhlenbewohnern über tausende Kilometer bis ins Mark erschüttert werden konnte, was blüht den unmittelbaren Anrainern der aufgemischten explosiven Regionen in Nord- und Ostafrika, dem Balkan und Nahost?

Was der Orient einst mit „Deutschland“ verband, hat ihm innerhalb einiger weniger Zahrzehnte die Freundschaft so radikal gekündigt, dass da (hoffentlich) auch nicht das Lavieren um die direkte Beteiligung am physischen Morden einer objektive Einschätzung, wo „Deutschland“ steht,  im Wege steht – und damit dürfte sich die Reihe der vertrauenswürdigen Staaten Europas, abgesehen vielleicht von einer Handvoll allgemein expansions- und kolonisierungsuntüchtiger Randstaaten, aus orientaler und afrikanischer Sicht, schon erschöpft haben. Andere „große Nationen“ Europas hatten dort noch weniger Kredit… Man wird uns Europäer sicher alle in einen Topf werfen können, zugesellen den Mördern und Invasoren des Abendlandes, die wir bis aufs eigene Blut mitunterstützten. Weder wird der Balkan, noch Afghanistan ein Auge zudrücken können, kämen die je wieder zu besonnener Betrachtung.

Gerade sind wir kräftig dabei, es mit Iran zu vergeigen. Das europäische Interesse für Syrien ist beängstigend, und wohl nur seinen Vorstellungen vom „friedlichen Handel mit Afrika“ sind die „Anschläge“ geschuldet, die just dort wieder stattfinden [1] – mit „religiös verbrämten Fundamentalismus gegen Wahrheits- und Nächstenliebereligion“ – Hintergrund, versteht sich [2].

Für die Werke der USA empfand Obama eitel Wohlwollen: „Die USA hätten den Krieg im Irak „verantwortungsvoll beendet“, die Terrororganisation al-Qaida auf den „Weg der Niederlage“ gebracht, ihren im Mai getöteten Führer Osama Bin Laden zur Verantwortung gezogen und „signifikanten Fortschritt in Afghanistan“ gemacht“, zitiert „Die Welt“ am 6. Januar den Präsidenten; „Gleichzeitig müssen wir unsere Finanzen daheim in Ordnung bringen und unsere langfristige wirtschaftliche Stärke erneuern…“

Wir haben vollstes Verständnis – wenn Sie unseren Zeitungen glauben – Herr Obama – schließlich sind „Ihre“ Finanzen auch die unseren, wie wohl auch unsere mit Ihrer wirtschaftlichen Stärke verbandelt ist. Mitte dieser Woche beschloss der Bundestag in Deutschland so auch die Fortsetzung Ihrer Mission in Afghanistan, von der ja auch, wie da schon einer sagte, neben Deutschlands Freiheit auch seine Handelswege geschützt würden; alle Diskussionen über tote deutsche Soldaten wegen falschverstandener Vasallenpflicht unserer Deutschland beherrschenden Parteien Ihnen gegenüber, alles Lamentieren über getötete Zivilisten waren ganz still; nur die vermeintlich verfassungsfeindlichen Roten moserten. Wir haben nämlich einen Außenminister der Umsichtigen-Buchführungs-Sonderklasse. Zitat im Morgenmagazin von ARD/ZDF: „Vorher weiß man oft nicht, was ein solcher Einsatz an Geld und Blutzoll kostet“.

Der Ko-Direktor des „Afghanistan Analysts Network“ – Sitz in Berlin und Kabul – warnte im Dezember gegenüber der ARD: „Ich spüre eine große Verunsicherung und Angst unter den Afghanen, dass ihr Land erneut zusammenbricht und in einen noch blutigeren Bürgerkrieg zurückfällt. … Wir beobachten eine drastische Verschärfung der sozialen Gegensätze, die es früher in dieser Gesellschaft, die eigentlich relativ egalitär strukturiert ist, nicht gegeben hat.“

Und auch Obama verheißt wohl mit diesem Lehen für „Europa“ nicht Friedensland, wenn er seine Beschränkungen auf den anderen Teil der Welt begründet wie im Januar: „Künftig haben die USA nicht mehr den Anspruch, zwei Kriege gleichzeitig führen zu können.“

Seine Sicht von der Afghanistanmission gab diese Woche unser Bundesminister der Verteidigung gleich nach dem Beschluss über seine einjährige Fortsetzung der Medie auf die Frage, ob der Kampfeinsatz 2014 auch dann endet, „wenn Afghanistan wieder im Bürgerkrieg zu versinken drohe“
„Wir haben bisher auf dem Fahrersitz gesessen und die Afghanen auf dem Beifahrersitz. Jetzt wechseln wir das allmählich. Und anschließend sind wir dann noch ein bisschen Fahrlehrer.“

Anmerkungen

[1]
21. Januar 2012, Deutschlandfunk
20:00 Uhr
: „Bei der Serie von Anschlägen im Norden von Nigeria sind weit mehr als 100 Menschen getötet worden. Das Rote Kreuz spricht inzwischen von mindestens 120 Toten, Ärzte berichten von mehr als 160 Opfern. Ziel der Attentate in Kano – der zweitgrößten Stadt des Landes – waren gestern mehrere Polizei-Einrichtungen. Zu den Taten bekannte sich die radikal-islamische Sekte Boko Haram. Sie hat in den vergangenen Wochen eine Reihe von Anschlägen mit vielen Toten verübt.
http://www.dradio.de/nachrichten/201201212000/2

[2]
14.Januar 2012, Deutschlandfunk
13:30 Uhr
Sicherheitskräfte inspizieren die Zerstörungen der katholischen Kirche St. Theresa nach der Explosion einer Autobombe in Madalla.

Mit dem Stopp der Subventionen für Treibstoff hat der nigerianische Präsident die Bevölkerung gegen sich aufgebracht…In Nigeria liegen die Nerven blank. Wegen der Anschläge der Terrorsekte Boko Haram trauen sich viele Menschen eigentlich kaum noch auf die Straße. Doch gehen sie auf die Barrikaden – gegen die Regierung.

Occupy Nigeria: In Lagos blockieren Demonstranten die Stadtautobahn, Autoreifen brennen, wichtige Häfen sind lahmgelegt, Flüge gestrichen, Geschäfte geschlossen. Der Generalstreik geht weiter – und eskaliert. Bei Zusammenstößen mit der Polizei starben bisher mindestens zehn Menschen. Im Zentrum der Kritik: Präsident Goodluck Jonathan. Immer weniger Nigerianer vertrauen ihrem Staatsoberhaupt.
…unregierbar erscheint Nigeria schon jetzt. Die Proteste werden immer härter, außerdem bekommt die Regierung die Terrorsekte Boko Haram nicht in den Griff. Bei islamistischen Anschlägen wurden allein seit Weihnachten mehr als 100 Menschen getötet. Der Staat wirkt hilflos, gelähmt, und die Angst geht um. Und dann taucht auch noch dieses Video im Internet auf: Imam Abubakar Shekau, der Anführer von Boko Haram, verteidigt darin die Angriffe auf Christen und erklärt, es handele sich um Rache für Anschläge auf Muslime.

„Wir sehen, wie das Land möglicherweise in einen Bürgerkrieg schlittert. Wir kennen die Pogrome, die es zwischen den ethnischen und religiösen Gruppen gegeben hat. Wir wissen, dass sie aufgehetzt und manipuliert wurden – durch korrupte Politiker, die ihre Spuren verwischen, indem sie Chaos säen. Terroristen können einfach Gotteshäuser angreifen und wehrlose Menschen töten, und niemand stoppt diese Leute. Unsere Nation steht am Scheideweg. Das lässt sich nicht mehr leugnen.“

[3] Und auch diese Schlagzeile „Mali droht eine Hungersnot Folgen des Klimawandels“ (auf Deutschlandfunk am 10.12.2011)
hat ihren Bezug auf „Kolonisierung Afrikas“ und „europäische Vorstellungen von friedlichem Handel“

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