– Rückblick auf die 48. Münchner Sicherheitskonferenz
Am ersten Wochenende dieses Monats fand die „Münchner Sicherheitskonferenz“ statt – und wenn wir hier bereits mehrfach eine ohne Legitimation durch ihre Völker und am Völkerrecht vorbei agierende Elite unterstellten, verdient auch diese öffentliche Zurschaustellung der „Sicherheits“ – Strategen im Gewand der 48. Auflage der „Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz (gemeinnützige) GmbH“ einer Betrachtung.
Als ein Konzert des besorgten Verantwortungsbewusstseins kam sie daher; das Publikum war hochkarätig. Vortragende aller Kontinente waren vertreten, an alle Interessen schien gedacht: da fanden Freiheitskämpfer aus den arabischen Ländern ebenso wie die Schwergewichte der militärischen Strategie ihr aufmerksames Publikum. Alle einte die Sorge um den Planeten.
Die Themen waren erwartungsgemäß die Gefahren für die Welt durch Egoismus und Machtmissbrauch, die erbrachten Illustrationen kamen über die Populismen: Klimawandel, Demokratieverlust, politische und Wirtschaftskrise, nicht hinaus; so konnten wieder nur Schlagworte getauscht werden; der Wahn einer Handvoll waffenstarrer Konglomerate, global als Heilsbringer gefordert zu sein, schien dabei in allen der Diskussionsrunden stiller Konsens.
Die Konferenz war in „Panele“ – thematische Diskussionsrunden – aufgeteilt. Die Eröffnungsrede nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden Ischinger hielt der deutsche „Bundesminister der Verteidigung“, Thomas de Maizière. (Der Wortlaut seiner Rede weicht ab vom Wortprotokoll darunter) Hier ein Auszug, der das Anliegen des Treffens konkretisiert:
„Die Blockkonfrontation ist Vergangenheit. Und doch stehen wir gerade in diesem Jahr vor großen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Ich muss sie vor diesem Kreis nicht näher erläutern, nur nennen: Dynamische und asymmetrische Bedrohungen, Entwicklungen in der arabischen Welt, keine Fortschritte im Nah-Ost Konflikt, iranisches Atomprogramm, Terrorismus, Afghanistan, Cyber, Nordkorea, failed states, neue Sorgen im Westen Afrikas u. v. a. m.. Und die verfügbaren finanziellen Mittel, diesen Herausforderungen zu begegnen, sind begrenzt, oder nehmen sogar ab.
Die Finanz- und Staatsschuldenkrise belastet die Haushalte langfristig und damit unweigerlich auch die Verteidigungsbudgets beiderseits des Atlantiks…“
Deutschland feiert im ersten „Panel“ nach der Eröffnung dieser „48. Münchner Sicherheitskonferenz“ seine Aufnahme im Club – „Germany’s Role in Europe and the World“, denn, so de Maiziere in seiner Eröffnungsrede (Zit. nach Transscript MSC):
„Lange Zeit wäre alleine diese Fragestellung, insb. die Frage nach der militärischen Rolle oder Verantwortung Deutschlands, einem Tabubruch gleichgekommen.
Zwar hat Deutschland bereits vor 1990 militärisch Verantwortung getragen. Eine gesteigerte Eigenständigkeit oder gar eine Führungsrolle in der Welt war jedoch weder von innen gewollt – aber auch nicht von außen gewünscht – und auch das war verständlich“, und einige Zeilen später: „…Ebenso offen will ich sagen, dass vielen unserer Bündnispartner eine starke ökonomische Rolle der Bundesrepublik Deutschland, aber gleichzeitig eine schwache sicherheitspolitische Rolle durchaus Recht war. Das alles ist vorbei (wenn auch vielleicht noch nicht in allen Köpfen). Viele unsere Partner sehen uns längst als „gleichberechtigten“ und damit auch „gleichverpflichteten“ Partner an…“.
So liest sich auch die Teilnehmerliste dieses eröffnenden Panels:
Radoslaw Sikorski – Minister of Foreign Affairs, Republic of Poland, Warsaw; Timothy Garton Ash – Professor of European Studies, Oxford University, Oxford.
Robert B. Zoellick – President, The World Bank Group, Washington, D.C. – sinniert über Deutschlands Führungspotential in Europa, betont „in ökonomischer und finanzieller Hinsicht“.
Frank-Walter Steinmeier („Member of the German Bundestag, Chairman of the SPD Parliamentary Group; former Federal Minister of Foreign Affairs), wohl aus Romantik hierhergeraten – oder glaubt, wer hier den amtierenden Außenminister vermisst – der ja ohnehin in München war, im „Panel „Building a Euro-Atlantic Security Community““ zusammen mit den Großen am Abend eine (wiederum mit den Script darunter nicht identische) Rede hielt – noch immer, Wahlen würden vom Volk entschieden?)
De Maizière gehörte auch zu diesem Panel. Seiner Eröffnungsrede, eben schon in Teilen zitiert, verdanken wir diesen Leckerbissen: „Wir nehmen aus guten Gründen schon jetzt mehr internationale Verantwortung wahr als wir es manchen unserer Bürger vermitteln können.“
„Oder verweigern sie – je nachdem, was unser Bündnispartner erwartet“ – könnte hier nun auch Steinmeier beitragen.
Willkommen Deutschland – aber warst Du je fort, von diesem Club?
Geredet über militärische Strategien wird in „Smart Defense, the EU, and the Future of the Transatlantic Alliance“. Als Redner/innen treten auf: Claude-France Arnould, „Generaldirektorin European Defence Agency, Brüssel“, Philip Hammond, Verteidigungsminister, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, Lindsey Graham, Senator, Vereinigte Staaten von Amerika, Stéphane Abrial, „General, Supreme Allied Commander Transformation, NATO, Norfolk“;
Der Diskussionsbeitrag von „Dr. Thomas Enders, Präsident und CEO, AIRBUS, Toulouse“, der zu einer „Meinung aus der Wirtschaft“ zu „Smart Defense“ befragt ist und der den Rückgang deutscher und französischer Firmen in der Rüstungsindustrie bedauert, ist ebenfalls unter diesem Panel gelistet.
In „Energy, Resources, and the Environment: New Security Parameters?“
tritt Europa einstimmig auf mit dem „Commissioner for Energy, European Union“, Oettinger;
Ilham Heydar oglu Aliyev, der Präsident persönlich, für die ölreiche „Republic of Azerbaijan“.
Ein weiterer Präsident – der der Ukraine, Viktor Yanukovych, sitzt hier bei „Moderator“ Carl Bildt, „Minister of Foreign Affairs, Kingdom of Sweden“, auch der „Executive Director“ von „Greenpeace International“, Kumi Naidoo und Michael Diekmann von der „Allianz SE“. Die Allianz SE (München) ist, zit wikiped, „nach Umsatz und Marktkapitalisierung der weltgrößte [] Versicherungskonzern und einer der größten Finanzdienstleistungskonzerne“
(Anm. „Das Environment (englisch environment = das Umfeld, die Umgebung) ist ein in den späten 1950er Jahren aus dem amerikanischen Englisch entlehnter Begriff für künstlerische Arbeiten, die sich mit der Beziehung zwischen Objekt und der Umgebung auseinandersetzen. Dabei kann die Umgebung Teil des Kunstwerkes werden…; zit. n. wikiped.)
Wo wir besonders arglos sind, dürfen „Sicherheits“ – Befürchtungen wohl nicht fehlen: „Internetsicherheit“ – im Panel „Cybersecurity: Is Offense the Best Defense?“ – wird wohl das Rollenfach „Zauberlehrling“ geprobt. Gecastet: „Vice-President of the European Commission; Commissioner for the Digital Agenda, European Union“ Neelie Kroes, Ex-CIA- und NSA-Chef Hayden, USA, Italiens amtierenden Verteidigungsminister Giampaolo Di Paola – und Eugene Kaspersky (Vorsitzender und Geschäftsführer des privaten, russischen Netzsicherheits-Anbieters Kaspersky Lab).
Militärische Zwerge, gleichwohl Hoffnungsträger (Tunesien, Ägypten), kommen bei „Building the New Middle East?“ gleichberechtigt neben den Großen zu Wort, versichern ihre freudige Kooperationswilligkeit, legen ihre Vorzüge dar.
Ob die junge Frau – Tawakkul Karman – „Funktion: Friedensnobelpreisträgerin 2011; Vorsitzende Journalistinnen ohne Ketten“ aus dem Yemen weiss, was sie Syrien anhängen kann, wenn sie als Sympathieträger für das Embargo gegen das Land auftritt, oder aus ihrer teilnahmsvoll-kämpferisch klingenden Stimme nur die Naivität ihrer Lebensjahre spricht
ihr Auftritt, arabisch, mit farbenfrohem Kopftuch, ist aber sicher eine gute optische Aufhellung.
Das Panel: „Building a Euro-Atlantic Security Community“ gibt mit Beiträgen von Westerwelle („Federal Minister of Foreign Affairs, Federal Republic of Germany“), Hillary Clinton („Secretary of State, United States of America“), Leon Panetta
(„Secretary of Defense, United States of America“), Anders Fogh Rasmussen („Secretary General, North Atlantic Treaty Organization“, dem polnische Präsident Komorowski und Russlands Außenminister Sergey V. Lavrov Ideen zu einer „euro-atlantischen Sicherheitgemeinschaft“ zum besten. Russlands Außenminister Lavrov bestätigt unseren Verdacht, dass „die geschichtlichen Ereignise immer schneller stattfinden“. Er mahnt an diesem Wendepunkt zur Abkehr vom dogmatischen Denken der Vergangenheit hin zu einer multipolaren Weltsicht, gemäß der weltweiten Entwicklung und Identitätssuche der Völker. Den Nahen Osten und Nordafrika nennt er als Beispiele dafür. Russlands Interesse bei der Mitgestaltung bei diesen globalen Modernisierungsprozess im Einklang mit Europa, der USA, aber auch ausdrücklich mit China, betont Lavrov. Kein System der Konfrontation – angesprochen auch der geplante „Raketenabwehrschild“ der Nato – wolle Russland anerkennen. Sein Land strebe nach politischer Verantwortlichkeit, auch um nicht letztendlich als Opportunisten dazustehen. Unteilbare Sicherheit für alle – das sei die Mindestforderung seines Landes, und dafür sei es in der jüngsten Vergangenheit und werde auch in der Zukunft eintreten.
Russlands Anspruch als Mitgestalter einer sicheren Zukunft betonte in München auch der ehemalige Minister des Auswärtigen und derzeitige Präsident des „Russian Council on International Affairs“ Igor Ivanov, der als Mitautor eine Studie der „Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden“, die „Euro-Atlantic Security Initiative (EASI)“ vorstellt.
Das Papier einer „breiten Gruppe potentieller Akteure“ aus „Regierungen, akademische Institutionen, dem privaten Sektor“ Russlands, Europas und der USA – dort genannt: „Robert Bosch Stiftung, Calouste Gulbenkian Foundation, Carnegie Corporation of New York, Hurford Foundation, Robert & Ardis James Foundation, Nuclear Threat Initiative, Starr Foundation, Institute of World Economy and International Relations of the Russian Academy of Sciences, United World International Foundation“.
Die „euro-atlantische Zone“ hätte im Vordergrund gestanden, ehemalige Staatslenker der USA, Russlands und Europas aus der Ära des Kalten Krieges hätten ihr Wissen und ihre Befürchtungen eingebracht – das „von Anfang an bestehende beiderseitige Misstrauen“ sei so mit eingeflossen – die Initiative daher auch unter allen sicherheitspolitischen Erwägungen relevant.
Auch Sam Nunn, US-Senator, Zweiter Vorsitzender und Geschäftsführer der „Initiative Nukleare Bedrohung“, neben Ivanow und Ischinger Mitunterzeichner des Papiers, hat EASI zum Thema, wenn er über Spielregeln sinniert, die die Gefahr atomarer Angriffe eindämmen sollen.
Im Gesprächskreis „America, Europe, and the Rise of Asia“ ist Russland nicht vertreten. Der dritte geladene Russe, General a.D.; Generalsstabschef der strategischen Luftabwehrstreitkräfte, Mitglied der Global Zero Initiative, Victor Esin, referiert bei „Global Zero: Tactical Nuclear Weapons in Europe“. Die atomare Bedrohung weiß er noch immer als das größte Dilemma für die Welt, und anders als sein Kollege – „US-Vorsitzender von Global Zero“, Richard Burt, der Europa als den vorgeschobenen Brückenkopf beider Atommächte von strategischen Kernwaffen befreien zu wollen vorgibt, spricht der Russe von der „Reduzierung aller Atomwaffen – strategischer wie nichtstrategischer, dislozierter und nichtdislozierter“, dazu mahnt er Schritte zur Ratifizierung ausstehender bilateraler und die gemeinsame Ausarbeitung multilaterale Verträge an, – auch, um „China und anderen wichtigen Nuklearmächten“ in Zukunft auf diesen Weg zu bringen.
China ist im Gesprächskreis „Amerika, Europa, und der Aufstieg Asiens“ vertreten.
Der in einigen Staaten wegen Kriegsverbrechens gesuchte Henry Kissinger „(Chairman) Former Secretary of State of the United States of America; Chairman Kissinger Associates Inc., New York“ – in Müchen hat er wohl nichts zu befürchten – eröffnet hier die Diskussionsrunde; bezugnehmend auf Obamas Neue-Strategie-Bekundung vom Jahresanfang meint er,
Sicherheitsfrage-Fragen hingen nur davon ab, wie die Gegenseiten aufeinander zugingen; „geschichtlich“ bereits weiß er die Diskussion des Themas China aus der die Kräfteverteilung beachtenden Erwägungen der USA, „der Sitzordnung nach“ wird auch Zhang Zhijun, „Vice Minister of Foreign Affairs, People’s Republic of China, Beijing“ sich dazu als erster zu äußern haben.
Der versteht Asiens Aufstieg ein Lichtblick für die krisengeschüttelte westliche Welt; seine Entwicklung als Zeichen seines Lebenswillens aber zurückhalten zu wollen, müsse geächtet werden.
Sowohl Asien als auch Europa hätten „die Zivilisation stets geehrt“, erinnert er.
In Gesprächen zu Nordkorea und selbst Afghanistan sei China bereits über den eigenen Tellerrand engagiert – als starker Kämpfer für Sicherheit in Asien, und bekundet weiteres Interesse an einem kooperativen Kontinent
Wohl nicht nur an die Adresse Asiens bekennt Zhang Zhijun: „China verpflichtet sich zu friedlicher Entwicklung – als unsere Langzeitstrategie; und das sind nicht nur hohle Worte
Auch das wird ihm nicht nutzen – genau wie Russland wird China noch vor Sonnenuntergang auf die Achse des Bösen rücken – gerade wohl, weil es im UNO-Sicherheitsrat in diesem Sinne handelte.