Weise Aussichten

Wer sich dem Druck beugte, von überfüllten Hörsaal zu überfülltem Hörsal hechtete, kniend im Zwischengang selbstherrlichen Vorträgen geistesabwesender „Professoren“ eine Essenz zu entlocken versuchte, nach acht, zehn, zwölf Stunden Uni-Tag am Abend seine Aufzeichnungen ordnen, das Gehörte vertiefen, sich auf den nächsten Tag vorbereiten wollte, anschließend noch ein paar Stunden kellnern muss zur Erhaltung der materiellen Sicherheit – und wem da vielleicht bereits schon dämmerte, dass der angefangene Weg mitnichten zum Traumberuf führen kann, er sich aber täglich wieder zur Ordnung rief – wer in diesen Monaten in einer der unzähligen unterdimensionierten, von Wanderprofessoren und Wirtschaftslobbyisten beherrschten Geistesschmieden des zukünftigen Deutschlands seine „Scheine“ – den von der Universität zu bescheinigenden Abschluss eines dieser unzählbaren Kurse, die zur Erringung einer Fachnote nötig sind – machen musste, konnte sicher schon witzeln, so ihm dazu noch zumute blieb, dass zum reibungslosen Ablauf des Universitätsbetriebes auch baldigst eine campuseigene Nervenheilanstalt gehören müsste.
Diese Art Galgenhumor hätte freilich den kleinen Schönheitsfehler, dass sie impliziert, dass dem Patienten geholfen werden könnte, während seine Bedingungen keiner Kur bedürften – und so ist uns eine solche Witzelei aus den Horten deutschen Geistesschaffens nicht bekannt geworden.

Das das Leben aber weitaus witziger und einfallsreicher sein kann als ihre dümmsten Witzes es je hätten kolportieren können, wird den Jungkonkurrenten um die Weisheit jetzt von einer ihrer geringsten Anstalten vor Augen gehalten: „Bessere Betreuung für psychisch kranke Studenten – RWTH Aachen eröffnet Zentrum für psychische Gesundheit“, titelt heute Deutschlandfunk, – wobei RWTH für  „Rheinisch-Westfaelische Technische Hochschule“ steht. In dem folgenden Beitrag kommt „Birgit Derntl, Professorin für Psychologie an der Uniklinik Aachen“ zu Wort und „nennt alarmierende Zahlen aus der Studie einer gesetzlichen Krankenkasse“:
„Also vor allem der Bericht der Technikerkrankenkasse hat hier erste Zahlen und Fakten geliefert. Wo gezeigt worden ist, dass die Zahl der Studenten, die psychisch erkrankt sind von 2006 bis 2010 sich um 50 Prozent erhöht hat.“ „Insgesamt sind nach dieser Studie rund ein Fünftel aller Studierenden von psychischen Belastungen und Erkrankungen betroffen“. ergänzt der Kommentator des Beitrags.

Die „Psychologin Christine Frank“ weiß in diesem Beitrag: „Die Versorgungssituation, gerade was psychotherapeutische Behandlung anbelangt, ist natürlich desolat, weil es einfach zu wenig Kapazitäten gibt. Die Wartezeiten sind viel zu lang und es erfordert einen immensen Einsatz des Betroffenen sich um entsprechende Plätze zu kümmern.“ „Aber dazu sind viele Patienten, die zum Beispiel an einer schweren Depression leiden, gar nicht in der Lage. Die Wartezeit auf einen Therapieplatz verschlimmert die Symptome. Da setzt die Hilfe der Fachleute des Zentrums für psychische Gesundheit ein“, erklärt der Kommentator des Deutschlandfunk, und auch: „Die große Zunahme dieser Fälle hat die Universitätsklinik Aachen veranlasst, das neue Zentrum für psychische Gesundheit zu gründen.“

Keine ursachenuntersuchende Kommission zur Vebesserung des Universitätsbetriebes, keinen Fond zur Verbesserung des Lehrangebotes, zur Ausstattung mit zeitgemäßer Technik, unabhängigen Lehrmaterialien – die Hochschule Aachen, und ihr werden weitere folgen, packen das Problem bei der Wurzel.

Und dass keiner meinen müsste, wegen seines überladenen Stundenplans sei ihm der Zugang zu dieser Kur ohnehin versperrt, noch dieses Zitat aus dem Deutschlandfunk-Beitrag: „Professor Frank Schneider, Direktor der Klinik für Psychiatrie an der Uniklinik Aachen“: „Sie müssen auch bedenken, dass wir eine so genannte Notfallhotline haben. Das heißt, Studierende und Doktoranden können sich rund um die Uhr das ganze Jahr, also auch Weihnachten und mitten in der Nacht, bei uns melden und sich mit einem Psychiater oder Psychotherapeuten auseinandersetzen.“

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Quellen: Der Beitrag auf Deutschlandfunk, 16. 5. „Campus und Karriere“
Weiterführend: juraforum.de 15.05.2012: „RWTH und FH Aachen eröffnen die bundesweit erste psychiatrisch-psychotherapeutische Beratu“

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