Teufel oder Belzebub

– Gute Nacht, Ägypten!

Da lässt sich ein Brechreiz nur schwer unterdrücken, wenn man das Drama in Ägypten verfolgt, und es ist nicht so sehr das Zwischenergebnis der „Wahl“, das nun nur konsequent die eigentlichen Optionen für ein Land aufzeigt, dass naiv die eigenen Geschicke in die Hand nehmen will und dabei wohl kurz vergessen hatte, dass im Endspiel um die Weltherrschaft nationale Befindlichkeiten, noch dazu in unmittelbarer Nachbarschaft der alleszerstörenden Kräfte, einen Scheißdreck gelten.

So bleibt dem Ägypter die Stichwahl zwischen Diktatur im alten oder neuen Gewand, der Weltöffentlichkeit, die Geschichte vom arabischen oder welchen auch sonst Frühling wiederum als Dichtung aus 1001 Nacht zu begreifen, und mit einem Blick auf die Heuchelei der den Vorgang heute reflektierenden Weltpresse dem Rest die Hingabe in den eingangs geschilderten Akt kurzfristiger Erleichterung.

Auszüge aus der Weltpresseschau, die heute (26.5. 2012, 8. 50 Uhr) der Deutschlandfunk präsentierte:

„Die Vergangenheit vergeht nicht, stirbt nicht. ‚Stürzt das Regime‘ war das Motto aller arabischen Revolutionen, aber das Internet reichte dafür nicht aus. Denn es gab keinen klaren Plan für die Zeit danach.“ (La Stampa)

„Ägypten hat den ersten Demokratie-Test bestanden. Die Wahlen waren frei, es gab nur geringfügige Verstöße…“ (Times)

„Selbst wenn künftig ein Islamist oder auch ein Mann des alten Regimes die Geschicke des Landes lenken sollte, sind die von Untertanen zu Bürgern mutierten Ägypterinnen und Ägypter um eine zentrale Erfahrung reicher: Der Stillstand ist überwindbar – vorwärts!“ (Neue Zürcher Zeitung)

„Der wirkliche Gewinner der Präsidentenwahlen ist nicht dieser Kandidat oder jener. Einer von beiden wird siegen, und sein Foto wird umgehend in unzähligen Zeitungen erscheinen. Aber die Amtsperiode des künftigen Präsidenten wird begrenzt und damit seine Macht endlich sein. Die wirklichen Sieger dieser Wahl sind die Ägypter selbst, die den Zwang der Tyrannei überwunden haben und erhobenen Hauptes ihren Weg gehen“. (Egyptian Gazette)

„Fast hätte das Mitglied der radikalen Muslimbrüder, Mursi, schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht, sodass es sehr wahrscheinlich ist, dass er den Vertreter des alten Regimes im zweiten Wahlgang besiegen wird. Die Ägypter, die sich für den Vertreter der Muslimbrüder entschieden haben, können später nicht behaupten, sie hätten nicht gewusst, was auf sie zukommt.“ (Danas (Serbien))

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Artikel hier im unmittelbaren Zusammenhang: Der Frühling in Arabien https://volksauge.wordpress.com/2012/04/29/der-fruhling-in-arabien/
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p.s. Schlag auf Schlag. Vorgestern „Bild“: „Aserbaidschan vor dem Eurovision Song Contest – Aufstand im Partyland. Bakus Jugend bittet: „Singt für Demokratie!“+++ Amnesty prangert Regime an +++ So tickt das Land am Kaspischen Meer – „SING FOR DEMOCRACY“, steht auf ihren weißen T-Shirts. „Singt für Demokratie – unterstützt die Menschenrechte in Aserbaidschan“. Hunderte dieser T-Shirts waren gestern in Baku, der Hauptstadt des Landes, zu sehen. Getragen von (meist) jungen Männern, die friedlich gegen das Regime von Präsident Ilham Aliyev (50) protestierten. Ihre Chance: das Finale des Eurovision Song Contest (ESC) am Samstag in Baku…“

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