Wer sucht, der findet…
Das sind wir also. Zu einem Viertel rechtsradikal. Ich ein bisschen mehr, weil ich aus dem Osten des Landes komme. Ich ein bisschen weniger, weil ich Abitur habe – ein Zeichen von höherer Bildung. Für diese Stigmatisierung zumindest einen Dank an die Macher der Studie (hier als pdf), die aller zwei Jahre mittels Befragung den Anstieg rechtsradikalen Gedankengutes in der deutschen Gesellschaft messen.
Der Deutschlandfunk fasst die deutsche Unbelehrbarkeit am 13. 10. 2010 so zusammen: „Die Erkenntnisse, die die Studie auf 160 Seiten zusammenträgt, dürften unter Demokraten Besorgnis auslösen. Unter dem Titel „Die Mitte in der Krise“ forschte die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, wie weit rechtsextreme Einstellungen in Deutschland verbreitet sind und kommt zu dem Schluss, dass sie mit der Wirtschafts- und Finanzkrise stark zugenommen haben. Im Vergleich zur letzten Erhebung 2008, die in einer wirtschaftlichen Schönwetterperiode durchgeführt wurde, sprechen die Autoren nun von einer Trendwende. Denn, anders als 2006, als weniger Deutsche als in den Vorjahren eine Diktatur befürworteten, hält 2010 jeder Zehnte die Diktatur für die bessere Staatsform. Genauso viele Menschen wollen einen „Führer, der Deutschland mit harter Hand regiert“; jeder vierte wünscht sich eine, Zitat, „starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“.
Oder, am selben Tag, „Die Presse.com“: „Gemäß einer neuen Studie ist die Ausländerfeindlichkeit in der deutschen Bevölkerung auf dem Vormarsch. () Fremdenfeindliche und antidemokratische Ansichten in Deutschland nehmen offenbar deutlich zu. Jeder zehnte Staatsbürger wünscht sich einen „Führer“, jeder Dritte will Ausländer zurück in ihr Heimatland schicken.“
Tragischer noch die Aufbereitung der „Märkische Allgemeine“: „Schon bei vorherigen Befragungen fanden sie heraus, dass Fremdenfeindlichkeit nicht mehr nur ein Randproblem der sozialen Unterschicht oder der Ostdeutschen ist. Im Gegenteil, rassistische und antidemokratische Einstellungen seien unlängst auch in der Mitte der Gesellschaft salonfähig geworden und fungierten als „Einstiegsdroge in die rechte Szene“, betont Thomas Decker. Dass die aktuellen Daten jedoch so alarmierend aussehen würden, haben selbst die Wissenschaftler nicht erwartet.“
Die Befragungen für die Studie wurde im April 2010 durchgeführt – sie ist also noch „sarrazindebatte-2-rein“.
Der Studie eilte eine „Pressemitteilung“ der Friedrich-Ebert-Stiftung voraus. Auch hier heißt es
unter „Zentrale Ergebnisse: „Im Jahre 2010 ist eine signifikante Zunahme antidemokratischer und rassistischer Einstellungen zu verzeichnen. Wir erleben eine dramatische Trendwende“, fassen die Leipziger Wissenschaftler Professor Elmer Brähler und Dr. Oliver Decker die Ergebnisse der Studie zusammen. Der Vergleich der Erhebung seit 2002 zeigt, dass die bisher leicht rückläufigen Entwicklungen sich umkehren: Insbesondere chauvinistische und fremdenfeindliche Einstellungen nehmen zu und dokumentieren krisenbedingte Mechanismen der Abwertung gegenüber „Fremden“.
„Damit bestätigt sich die zentrale These der bisherigen „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung auch im Jahr 2010″, sagte Nora Langenbacher, die das Projekt „Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus“ der Friedrich-Ebert-Stiftung leitet: Rechtsextremismus ist kein Phänomen am „Rand“ der Gesellschaft, ganz im Gegenteil finden sich rechtsextreme Einstellungen in besorgniserregendem Maße in der Mitte der Gesellschaft: In Ost- und Westdeutschland, in allen Altersklassen, bei Befürworter/innen von demokratischen Parteien, Gewerkschaftsmitgliedern, Kirchenangehörigen sowie bei Frauen und Männern.“
In dieser zweiseitigen Presse-Mitteilung findet sich diese Tabelle, an der das Gesagte demonstriert werden soll:


Den konstatierten Anstieg der Zustimmung der deutschen Bevölkerung zum Rechtsextremismus scheinen fünf der sechs Kategorien deutlich zu belegen, wenn man die Entwicklung seit 2008 betrachtet.
Vergleicht man sie mit den Zahlen von 2006, lässt sich dieser Anstieg nicht diagnostizieren. Dabei fällt auf, dass die Entwicklung von 2006 bis 2008 seitens der Autoren „leichter Rückgang“, die im gleichen Zeitraum bis heute hingegen „dramatischer Anstieg“ genannt wird, wenngleich es sich in beiden Abweichungen im Durchschnitt um die gleichen Beträge handelt.
Unabhängig allerdings von einer Entwicklung oder Tendenz: Jeder Fünfte ein Chauvinist, jeder Vierte ausländerfeindlich, ist allerdings eine beängstigende Diagnose für die Deutschen, und dazu eine beschämende Durchsetzung der Bevölkerung eines modernen, der Welt offenen Staates im Informations- und Reisezeitalter?
Wir ahnen, ohne es damit allerdings entschuldigen zu wollen, was die Ausländerfeindlichkeit betrifft, dass hier eine Angstreaktion oder -präposition vorliegt, angesichts des, nun prozentual zunehmenden, Verbleibs minderbezahlter Arbeitskräfte auf einem „sich“ abbauen Arbeitsmarkt – oder besser: Einkommensarbeit-Marktes. Die minderbezahlte Arbeitnehmerschaft hat meist „Migrationshintergrund“.
Die massenmediale Darstellung in ihrer Übereinkunft, die wahren Gründe für den Sozialabbau nicht zu nennen, dürfte dieser Angst beitragen. Aber Chauvinismus – „im ursprünglichen Sinne“ verstanden, wie es wikipedia definiert, wo man sicherheitshalber nochmal nachschlägt – „exzessiver, auch aggressiv überzogener Nationalismus, bei dem sich ein Angehöriger einer Nation allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser gegenüber Menschen anderer Nationen überlegen fühlt und sie abwertet.“? Haben sich die Deutschen wahrhaftig solche Betriebsblindheit bewahren können, oder ist deren Chauvinismus gar eine Schutzreaktion angesichts ihres untergehenden „Vaterlandes“? Dann bedürfte es, der Alarm wäre berechtigt, sicherlich wieder nur eines „starken“ Mannes und den Rachedurst einer „geschundenen Nation“.
Über die Unschärfe des Begriffs Rechtsextremismus waren sich die Verfasser der Studie bewusst. Auf neun Seiten der Studie ((PDF Studie S. 10 – 18) nähern sie sich dem Begriff:
„In einer Untersuchung des wissenschaftlichen Begriffsgebrauchs wurde festgestellt, dass in 13 Studien insgesamt 37 unterschiedliche, wenn auch sich teilweise überschneidende Bedeutungen von „Rechtsextremismus“ zu finden sind (), sodass von einer Rechtsextremismusforschung mit einem gemeinsamen Untersuchungsgegenstand nicht die Rede sein könne.“, schreiben sie (Seite 10) und betonen die Wichtigkeit, „in Auseinandersetzung mit den verschiedenen Konzepten eine klare Definition des Begriffs zu entwickeln.“ Diese Definition wird auf einer, wie es heißt „Konsensuskonferenz“ von 11 Soziologen angenommen (pdf Studie, S.18).
Die anschauliche Auseinandersetzung mit dem Gegenstand muss hier zum Verständnis des Verfahrens zur Studienerhebung sowie zum Verständnis eines sich ständig im Definitions-Wandel befindlichen Terminus noch in einigen Auszügen dargestellt werden.
Die Studie hebt eingangs hervor (pdf, S. 11ff): „Wichtig ist, dass der Begriff „Rechtsextremismus“ aus der verfassungsrechtlichen Praxis kommt; er ist geprägt durch die Staatsrechtslehre, das Grundgesetz sowie einschlägige Gerichtsurteile, etwa die Urteile des Bundesverfassungsgerichts (). In dieser Tradition basiert die Vorstellung von „Extremismus“ auf dem politischen Konzept der „wehrhaften Demokratie“, das die Bedrohung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung über Verfassungsfeindlichkeit definiert.“
Neben der dennoch unklaren Verwendung „ungeachtet seiner verbreiteten Verwendung in den Sozialwissenschaften“ stelle sich der Rechtsextremismusbegriffs als „umstritten“ heraus. Drei Aspekte erschienen dabei als „besonders problematisch“:
„Mitte – Rand
Der Begriff birgt eine Sprachproblematik: „,Extremismus‘ verweist sprachlogisch auf einen Gegenbegriff, also etwa auf ‚Normalität‘, so wie ‚Rand‘ nur in Relation zu einer ‚Mitte‘ sinnvoll verwendet werden kann“ (). Diese Konstruktion hat zur Folge, dass eine Mitte und ihr monopolisiertes Demokratieverständnis () idealisiert werden kann und auch wird – und zwar nicht nur theoretisch, sondern in dem Sinne, dass Normalisierung ganz praktisch „als bundesdeutsche Konstante“ erscheint (). Der Rand bzw. die „Extreme“ erscheinen gleichermaßen als Bedrohung der Demokratie, während die Mitte als Hort und Schutz derselben imaginiert wird. Indem „Extremismus“ als allgemeiner Oberbegriff für Demokratiefeindlichkeit fungiert, wird suggeriert, dass die Demokratie ausschließlich von den Extremen bedroht wird – und nicht aus der Mitte der Gesellschaft heraus.“
Dieses Begriffsverständnis berge zum einen, „zumindest aus politikwissenschaftlicher Sicht“, die Gefahr der Absurdität – „Menschen danach einzuteilen, ob sie für oder gegen diese Demokratie sind, obwohl es konkurrierende Auffassungen von Demokratie und ihrer Gestaltung gibt“. Zum anderen würde damit „das Phänomen „Rechtsextremismus“ diskursiv „entsorgt“ () und kontinuierlich zum Randphänomen erklärt.“
Weiterhin würden bei Überschneidungen der „Themen der Rechten mit den Themen der Mitte“ und „von Rechtsextremismus eigentlich gar nicht (mehr) die Rede sein“ kann (), eine Trennung behauptet, wo keine ist. () Die Debatte um den Rechtsextremismusbegriff“ sei „somit auch verbunden mit der (Wieder-) Salonfähigmachung von Begriffen wie „Nation“ und „Mittellage““.
Zur Illustration werden hier genannt die „als „Neue Rechte“ bezeichneten Rechtsintellektuellen“ und das konservative Politikverständnis „weiter Teile der CDU () bei der Verteidigung ihres Staats gegen vaterlandslose Gesellen und Sozialismus aller Art“.
Dies sei zwar nicht allein auf konservative Parteien zu beschränken, treffe jedoch „den Kern des Problems: Nicht nur der „Rechtsextremismus“ ist in weiten Teilen der Gesellschaft zu suchen und zu finden, sondern auch seine Verharmlosung. Dabei ist „rechtes“ und „rechtsradikales“ bzw. „rechtsextremes“ Denken häufig nicht so weit voneinander entfernt.“
Zum anderen bestünden Unklarheiten bei der Zuordnung des Extremismusbegriffes auf die jeweiligen Randgruppen „Rechts – Links“. „Extremismus“ sei per Definition bisher „gekennzeichnet durch die Identitätstheorie der Demokratie, durch ein hohes Maß an ideologischem Dogmatismus und in der Regel durch ein Missionsbewusstsein“, oft auch durch die „Akzeptanz von Verschwörungstheorien“.
Es bestünde aber das Problem „dass mit der verfassungsrechtlichen Definition von „Extremismus“ eine Rechts-Links- Dichotomie übernommen wird – und damit die Idee einer Mitte, von der aus die politischen Ränder „rechts“ und „links“ gleich weit entfernt sind(). Die Demokratie erscheine hier vom „Extremismus“, sei es von „links“ oder „rechts“, gleichermaßen bedroht.“ – ein Ansatz, den die Studie trotz Mitdenkens von „Terrorismus und Anarchismus, () Guerilla und Terror als linksextremistische Kampfmittel, () Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst, () Islamismus oder „Ausländerextremismus“ (das ist „politisch motivierte Ausländerkriminalität“ – Kriminalität seitens der Ausländer also – m. Anm.) so nicht übernehmen möchte.
Am Beispiel der „Totalitarismustheorie (), die politischen Systeme des Faschismus mit dem Stalinismus (vergleicht)“, begründet sie zum Beispiel, wie „der Vergleich äußerer Faktoren durch die fehlende Berücksichtigung der Ziele und Inhalte politischer Systeme zu Relativierungen z. B. der historischen Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Verbrechen führe.“
Die Studie zitiert Politologen mit der Unterscheidung: „Rechtsextremismus strebt die Beseitigung der Demokratie, der Sozialismus jedoch die Abschaffung des Kapitalismus an“, deshalb seien beide – und also „links“ und „rechts“ – nicht auf eine Stufe zu stellen(Stöss 2005, S. 19). () Schärfer und expliziter kritisiert der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer den Extremismusbegriff. So sei „der Extremismus selbst, also die Schnittmenge aller Extremismen, […] kaum Gegenstand der Forschung“, vor allem weil seine Eindimensionalität und Rechtsstaatfixierung der „gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit kaum gerecht“ werde (). Der Begriff „Rechtsextremismus“ habe sich eingebürgert und es existiere auch eine „ungefähre Vorstellung von den Untersuchungsobjekten“, während das bei „Linksextremismus“ nicht der Fall sei. Eine Gleichsetzung der „Extremismen“ verbiete sich aus inhaltlichen Gründen.“
Die Studie schließt sich diesem ausdrücklich an: „Wir schließen uns dieser Kritik an, da die sehr heterogenen gesellschaftlichen Gruppen, die gewöhnlich als „linksextrem“ bezeichnet werden – anders als beim Rechtsextremismus – nicht von einer radikalen Ungleichheitsvorstellung getragen werden, sondern von der Radikalisierung des Egalitätsgedankens. Da aber Egalitätsvorstellungen Kennzeichen der liberalen Demokratien seit der Französischen Revolution sind, zeigt sich das Problem des Extremismusbegriffs unter anderem sehr deutlich bei den als „linksextrem“ Bezeichneten: Diese verstehen „sich selbst fast durchgängig als demokratisch orientiert und akzeptieren zu 94 Prozent das Grundgesetz (Neugebauer 2000, S. 24 f.).“ und drücken ihre Befürchtung aus, dass eine „Gleichsetzung von „Linksextremismus“ und „Rechtsextremismus“ von rechter Seite instrumentalisiert wird.“ Diese Einsicht mache es „notwendig, den Rechtsextremismusbegriff immer wieder neu zu konkretisieren () und zu begründen. Dabei geht es nicht nur um das Verhältnis des politischen Randes zur gesellschaftlichen Mitte, sondern ganz eindeutig um die Zukunftsfähigkeit einer demokratisch verfassten Gesellschaft.“
„Angesichts der deutlichen Schwächen des Extremismuskonzepts“ stelle sich, so die Studie, „die Frage, warum auch Forscher/innen, die sich dieser Defizite bewusst sind und sich zudem nicht auf die Extremismustheorie beziehen, dennoch mit dem Begriff „Rechtsextremismus“ arbeiten.“ Die Antwort ließe sich am ehesten in der Forschung selbst finden.
„Auch wir arbeiten in unseren Studien mit dem Begriff „Rechtsextremismus““, bekundet das Friedrich-Ebert-Institut. „Dabei orientieren wir uns konzeptionell zum einen am Ansatz des Politologen Seymour Martin Lipset, der „Extremismus“ als Antithese zum Pluralismus auffasst und den Extremismusbegriff nicht an die Pole des Links-Rechts-Spektrums gebunden sieht (), zum anderen an der Studie zur „The Authoritarian Personality“ (dt.: Die Autoritäre Persönlichkeit, 1950), die im Umfeld des Frankfurter Instituts für Sozialforschung entstanden ist und den autoritären/faschistischen dem demokratischen Charakter gegenüberstellt (Adorno et al. 1950).3 Zur Operationalisierung des Begriffs schließen wir an die Rechtsextremismusdefinition von Wilhelm Heitmeyer an, der zwischen rechtsextremer Handlung (insbesondere Gewalt) und Einstellung differenziert (). Auch wir unterscheiden zwischen der rechtsextremen Einstellung und dem tatsächlich gezeigten Verhalten ().“
So, und „in Anlehnung an die Konsensusgruppe“, stellt die Studie letztendlich ihre Definition vor (pdf Studie S.18): „Der Rechtsextremismus ist ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen darstellen. Diese äußern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch antisemitische, fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Einstellungen.“
Diese etwas ausführlichere Betrachtung war nötig; auf diese Definition gehe zum einen die Entwicklung des in den Studien eingesetzten Fragebogens zurück. Die hier – und ebenfalls auf den dafür benötigten neun Seiten der Studie sicher nur – angedeuteten Schwierigkeit bei der Einkreisung des Forschungssgegenstands sollen auch die Möglichkeit eines „objektiven“ Forschungsansatzes – und somit die Ergebnisse in Frage stellen. Weitere notwendig erscheinende „Debatten“ um Begriffe wie „Präkariat“, „Rand“, „Mitte“, „Normalarbeitsverhältnis“ werden in dem Papier geführt, der Begriff „narzistische Plombe“ eingeführt, als der nationale Kitt oder als Pejorativ für „Stolz auf das gemeisam Erreichte“, je nach Lesart.
Die angedeuteten Schwierigkeiten in der Annäherung an den Forschungsgegenstand fundiert wohl im Gegenstand der Sozialwissenschaft, der sich einer objektiven, natur-wissenschaftlichen Betrachtung entzieht.
Aber auch die „Fragen“ des Fragebogens können diesen Verdacht eines ideologischen Einflusses auf das Ergebnis nicht ausräumen. Wie sagte ja auch Nora Langenbacher, die das Projekt „Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus“ der Friedrich-Ebert-Stiftung leitet, in oben bereits zitierter Pressemitteilung: „Damit bestätigt sich die zentrale These der bisherigen „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung auch im Jahr 2010″.
Gefunden wurde, wonach gesucht wurde.
Unter den in der Studie „Rechtsextremismusfragen“ genannten Aufstellung wurden den „2 400 Probanden aller Schichten und Geschlechts zwischen 14 und 90 Jahren“ 18 Aussagen vorgelegt, denen sie in fünf Möglichkeiten ganz bzw. überwiegend zustimmen, sich enthalten oder die sie ganz oder überwiegend ablehnen können.
Dabei wurden hier je drei Aussagen zu einer jeden der sechs „Dimension“ gemacht, die aufgeteilt sind in:
„- Dimension „Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur“
– Dimension „Chauvinismus“
– Dimension „Ausländerfeindlichkeit“
– Dimension „Antisemitismus“
– Dimension „Sozialdarwinismus“
– Dimension „Verharmlosung Nationalsozialismus““
(Weitere Daten aus Befragungen zu Sorgen, Lebenszufriedenheit und Zukunftserwartung (Studie, ab S. 101) wurden gesammelt.)
Aussagen speziell über die Ausländerfeindlichkeit der Deutschen sollen die Zahlen aus den folgenden Fragen machen:
„Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen.“
„Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat schicken.“
„Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet.“
Zustimmungswerte von 35, 32 und 36% bei den Optionen „stimme überwiegend…“ und „stimme voll und ganz zu“ zeichnen für diesen hohen Prozentsatz an „Ausländerfeindlichkeit“ verantwortlich. Dies sind Durchschnittswerte und das Mittel aus der in Ost und West getrennt erfassten Zahlen; der Osten liegt in der prozentualen Zustimmung zu den drei Fragen signifikant höher – 47,6 (Ost) zu 30,8 (West) bei „Ausländer kommen, um den Sozialstaat auszunutzen“, 40,8 zu 29,3 bei „Ausländer heimschicken, wenn Arbeitsplätze knapp werden“ und 43,3 zu 33,6 bei „BRD durch die vielen Ausländer in gefählichem Maß überfremdet“.
Keine sittliche, dennoch eine Erklärung der Abweichung könnte die Arbeitslosenquote im Erhebungszeitraum (März/April 2010) bieten: Durchschnittlich 13% Arbeitslosigkeit im Osten stehen 7% im Westen gegenüber (Quelle Spiegel).
Es klingt dann regelrecht zynisch, wenn die Friedrich-Ebert-Stiftung dem Land einen Hang zum Rechtsextremismus bescheinigt, sobald sich ökonomische Verschlechterungen zeigen, viel drastischer will sie das nicht ausdrücken (Zit: „Die Stabilität von Demokratien hängt zu einem nicht geringen Teil davon ab, in welchem Umfang sie ihre Legitimität nicht ausschließlich aus dem Wohlstand bzw. der Verfügungsmöglichkeiten über Waren beziehen.“). Nicht einmal wird dabei der Anteil der politischen Führung des Landes verwiesen bei der Installation und Aufrechterhaltung der „Krise“. Sie sagt zwar überdeutlich(S. 65):
„Im Zuge der sogenannten Hartz-Reformen zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurden solche grundlegenden Veränderungen eingeleitet, die eingelebte soziale Zuordnungen neu definieren und die Unsicherheit in der Mitte und am Rand der Gesellschaft verstärkt haben. Sozial heterogene Akteure mit verschiedenen (erwerbs-)biografischen Verläufen geraten nun alle – sofern sie erwerbsfähig sind, jedoch kein Arbeitsverhältnis haben – nach gewisser Zeit in eine gemeinsame Kategorie, in ein „Hartz-IV-Sammelbecken“. Sie sind im Falle sozialstaatlicher Unterstützung verschärften Legitimationszwängen, insbesondere einer stärkeren Integrationsverpflichtung durch Ausweitung oder Aufnahme von Erwerbsarbeit oder Teilnahme an Maßnahmen wie Ein-Euro-Jobs ausgesetzt (), dabei sind die Zumutbarkeitskriterien stark herabgesetzt worden. () Wie stark damit die Gesellschaft in ihrem Fundament infrage gestellt ist, wird bereits in Ansätzen deutlich.“, versteht das Problem aber folgendermaßen: „Damit hat sich im aktivierenden Regime des Forderns und Förderns das Verhältnis zwischen Staat bzw. Gesellschaft einerseits und Hilfeempfänger/innen andererseits grundlegend geändert(). Im Kern geht es um die „Frage der moralischen Berechtigung auf Unterstützungsleistungen“, ohne die bereits selbst von der breiten Masse verstandene Unmoral einer praktizierten Politik gegen die Bevölkerung, zugunsten der (Global-)Wirtschaft, auch nur zu erwähnen. Vielmehr will die Studie diese Veränderung festmachen an „sich auch in verbreiteten gesellschaftlichen Zuschreibungen charakterlicher Mängel von Nichterwerbstätigen wie zum Beispiel Faulheit, die Verantwortung von Arbeitslosigkeit subjektivieren und moralisieren ().“
So kommt es einer Lapidarisierung gleich, wenn sie die Protektionspolitik und Deinustriealisierung verschweigt hinter der Behauptung einer „anhaltend strukturellen Arbeitslosigkeit und der Ausbreitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse“ und es lediglich als Versäumnis aussehen lassen will, wenn „die Politik am traditionellen Konzept der Arbeitsgesellschaft fest(hält): Bezahlte Arbeit, das heißt Erwerbsarbeit, bleibt weiterhin die zentrale Vergesellschaftungsinstanz und wesentliche Quelle der Anerkennung.“ Und wenn sie auch zugibt: „Allerdings steht existenzsichernde Erwerbsarbeit nicht für alle erwerbsfähigen Menschen zur Verfügung, sodass viele in das Dilemma geraten, der gesellschaftlichen Norm gar nicht entsprechen zu können.“, zeichnet sie eine Politik, die dem mit allem (vergeblichen) Eifer Abhilfe zu verschaffen sucht: „Die Politik versucht dieser Tatsache mit der Verstärkung der Arbeitsgelegenheiten durch „Zusatzjobs“ (Ein-Euro- Jobs) oder Bürgerarbeit entgegenzuwirken und so „zusätzliche Arbeit“ für Arbeitslose zu schaffen. Allerdings entfernen sich diese Art Jobs noch weiter vom „Normalarbeitsverhältnis“ (), da ein regulärer Arbeitsvertrag fehlt und kein Lohn, sondern nur eine Aufwandsentschädigung bezahlt wird.“; entsprechend lau fallen die Empfehlungen an die Politik am Ende der Pressemitteilung aus;
Mit „Normalarbeitsverhältnis“ folgt das Institut der die Erungenschaften vorgeblichem traditionellen SPD-Mühens in Frage stellenden Definition „(Mückenberger 1985) () für Idealbild eines bestimmten Beschäftigungsverhältnisses, das in den europäischen Industriegesellschaften entstanden ist. Es bezeichnet Lohnarbeit, die mit unbefristeten sowie vollzeitigen Arbeitsverträgen verbunden ist. Außerdem ist dieses Arbeitsverhältnis in ein enges Netz von tariflichen und rechtlichen Normen eingebettet. Diese Normalitätsvorstellungen orientieren sich am männlichen Familienernährermodell sowie einer Normalbiografie, die durch den Ablauf einer Ausbildungszeit, einer Phase der Aktivität ohne lange Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit und einer anschließenden Ruhephase charakterisiert ist.“
Bei Formulierungen wie (Studie S. 65): „Unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) wurde die Liberalisierung der sozialen Sicherheit und des Arbeitsmarkts beschleunigt.“, kann der verstörte Leser sicher den Fraktionsmaulkorb des SPD-„nahen“ Instituts noch mitdenken, muss sich aber fragen, ob seine Wahrnehmung ihn im Stich ließ, wenn er dieses als die Folge dieser „Beschleunigung“ bescheinigt liest: „Der Wechsel zur aktivierenden Sozialpolitik wurde bereits vollzogen und die Individualisierung sozialer Sicherheit vorangetrieben. In dem aktivierenden Sozialstaatsregime wird stärker auf die Verantwortung der Bürger/innen gesetzt, zum Beispiel auf die Eigenvorsorge in Gesundheit oder die private Rentenabsicherung. Die Politik sieht sich hingegen in der Rolle des „enabling state“, des ermöglichenden Staats, der den Individuen diese Übernahme von Eigenverantwortung – durch Bereitstellung von Ressourcen, aber auch durch Druck – möglich machen soll.
Bedenkt man den Anteil der SPD gerade an der Deregulierung des Arbeitsmarktes, der mit Schröders „Agenda 2010“ zum Beispiel unmissverständlich eingeläutet wurde, mutet es fast zynisch an, wie deren Stiftungen nun also die Auswirkungen dieser Politik misst und auswertet, indem sie dafür falsche Prämissen zugrundelegt; am Ende wird der Eindruck wach, und die Medien haben dies auch transportiert, kaum kratze eine Krise, die die ganze Welt hinrafft, auch nur des Deutschen dünnes Häutchen, rufe der nach dem starken Mann; so ist auch, 2010, auf dem Fragebogen über eine Aussage zu Adolf Hitler zu entscheiden.
Was die Studie schön widerspiegelt, von der Ebertstiftung aber als Politikverdrossenheit und Entdemokratisierungsbestreben im Volk – wiederum aufgrund ökonomischer Verunsicherung – gedeutet wird, ist die Frustration gegenüber den Parteien“staat“. In der Presseerklärung klingt das verklausuliert so: „Die weit verbreiteten rechtsextremen Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft sind auch Ausdruck dafür, wie es mit der Demokratie in Deutschland generell bestellt ist. Während 93,2% der Befragten die Demokratie theoretisch als geeignete politische Staatsform ansehen, unterstützen sie in ihrer heutigen Umsetzung nur 46,1%. Hier zeigt sich eine enorm hohe politische Deprivation, die verbunden mit den übrigen Ergebnissen den Schluss zulassen, dass die Demokratie derzeit von vielen Bürger/innen nicht mit Leben gefüllt werden kann.“
Da die Friedrich-Ebert-Stiftung Nationalbewusstsein mit Rechts übersetzt, sammelt sie unter:
„Aussagen der Dimension „Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur““ mit den „Fragen“: „Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform.“ (wobei ihre Bewertung, anders als die folgenden mit „wir sollten haben“ und „Deutschland braucht“, nur Aussage über Zustimmung zu einer generellen Ansicht, nicht aber eigenes Interesse an einem „Diktator“ wiedergibt.), „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert.“ und „Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert.“, 9, 13 und 24, wiederum im Osten, wenn auch nicht so signifikant wie im vorherigen Beispiel, durchschnittlich höher, Zustimmungsprozentpunkte.
Chauvinismus. „…exzessiver, auch aggressiv überzogener Nationalismus…(Def. n.wikiped.) Satte 20% der Bevölkerung stimmten nach der Pressemitteilung der Ebertstiftung einem Lebensgefühl zu, das bereits deren Definition genügt: „De(m) Chauvinismus als eine Form übersteigerten Nationalgefühls mit gleichzeitiger Fremdabwertung () in weiten Teilen der Bevölkerung. Das starke Nationalgefühl wird dabei am häufigsten gewünscht. Die Vorstellung eines gemeinsamen Interesses aller Deutschen, die bereits bei der Befürwortung einer Diktatur mit völkischer Begründung zum Tragen kam, dient auch zur Begründung eines harten Auftretens gegenüber „dem Ausland“. Auch die von den Deutschen mit der geringsten Zustimmung versehene Forderung nach „Macht“ und „Geltung“ befürwortet immerhin noch mehr als ein Viertel der Bevölkerung.“
Beschaut man die Zahlen unter „Zustimmung zu den Aussagen der Dimension „Chauvinismus“ “ in der Studie (S. 77), verzeichnen die sogar eine noch höhere Zustimmung. Zu der fingierten Aussage: „Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben.“ geben knapp 38%, zu: „Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland.“ knapp 31 Prozent und zu: „Das oberste Ziel der deutschen Politik sollte es sein, Deutschland die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht.“ geben knapp 27 Prozent (geringfügige Unterschiede zwischen Ost und West) ihre teilweise oder vollste Zustimmung.
Dass diese allerdings eine Befindlichkeit im Sinne der oben genannter Definition verraten und nicht ebenso bedeuten könnte, knapp ein Drittel der Deutschen könne es sich nun an den Fingern abzählen, wohin und wofür sein Vermögen verplempert wird, schleppt möglicherweise nur in die Betrachtung ein, wer das Deutschland von vor 60 Jahren allzudeutlich vor Augen hat.
Keine Relativierung des deutschen Rechtsextremismus soll hier laufen. Reportagen wie diese z. B. lassen wohl nur eine Ahnung von seiner Präsenz entstehen, hinterm Rücken und außerhalb aller Zahlen der Soziologieforscher(/Innen), behütet von ganz unverdächtigen Hegern des Teile-und-Herrsche-Prinzips. Nochdazu ist der Autor selbst dem Multikulti zugetan und vermisst in seiner Kleinstadt im Osten Deutschlands, wo er sehr wohl weiß, dass diese aus begründeter Angst um ihr Leben unsichtbar bleiben, sehr den ihm in jüngster Zeit noch gewohnten Austausch mit Menschen aus aller Welt. Aber gerade auch aus diesem Grund kann es lohnenswert sein, der scheinbar unheilbaren Debatte auf die Debatteure zu schauen;
Fakt ist nämlich auch, dass die übertreibende Konstatierung solcher Auffassungen zu einer Spirale der Zustimmung führen kann: Fühlte ich noch den kleinsten Zweifel ob der Moralität meiner Überzeugung, verblassen dies Skrupel zunehmend angesichts einer entsprechenden Menge an Volksgenossen, die sich zu ihrer Radikalität bereits bekennen. Aber welches könnte das Interesse hinter dieser Darstellung sein?
Sarrazin war eine ähnliche Merkwürdigkeit aus den Reihen der SPD; obwohl ihm wohl ein Türke oder Vietnamese nie nahe kommen konnte, wetterte er ausgerechnet gegen Ausländer in Deutschland, gegen die Melkkühe des Etablishments per se, zu dem er ja auch gehört;
Die Tinte der Studie war noch nicht trocken, da frustriert Schavan potentielle Fachkräfte in Deutschland mit dem Versprechen an „im Ausland ihre Qualifikation Erworbene geschätzte 300 000“ der Beschleunigung ihrer Anerkennungsbescheide für den deutschen Arbeitsmarkt.
Wie sagte Nora Langenbacher, die das Projekt „Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus“ der Friedrich-Ebert-Stiftung leitet, in der Pressemitteilung zur Studie: „Damit bestätigt sich die zentrale These der bisherigen „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung auch im Jahr 2010″.
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updates 31. 10. Da ist der schon wieder – „Sarrazin rechnet ab“
1. 11. soeben gefunden: auch über die Methoden zur Studienerhebung 2008 gab es Vorbehalte, ein Bloger-Beitrag von „SchubladenAusbrecher“ 2008 in Die Zeit.de über die damalige Studie: „Die unseriöse Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über Rechtsextremismus“ – dort – und nun auch hier, als pdf-Dokument-downloadbar die 2008er Studie :
http://www.fes.de/rechtsextremismus/inhalt/studie2.htm
http://www.fes.de/rechtsextremismus/pdf/080618_einl.pdf
…………
Quellen u.a.:
Pressemitteilung und
Studie